Mehr als nur ein Weihnachtsgebäck! Die Aachener Printe
28.05.2021 - 29.08.2021Sagen, Mythen und Legenden
Um die Entstehung der Aachener Printe ranken sich viele unterschiedliche Sagen, Legenden und Mythen: Seien es die Feinbäcker oder Gelbgießer aus Dinant, die durch ihr Handwerk das Gebäck nach Aachen brachten, oder die Geschichte von einem Bäckerjungen, der den Teufel austrickste, um so an das Printenrezept Karls des Großen zu gelangen, bis hin zu dem Mythos, dass Karls entsetzliche
Bauchschmerzen Linderung durch das Verspeisen der Printen eines Bäckers mit Namen van Rey erfuhren. Tatsächlich war die Geburtsstunde der Aachener Printe aber erst um 1820.
Antike Opfergabe, Heilmittel der Mönche und Kraftnahrung
Als spezielle Lebkuchenart steht die Aachener Printe in einer langen Tradition der sogenannten Gebildbrote, deren Wurzeln in der Antike liegen. Davon zeugen Opfergaben aber auch Festgebäcke aus Honigkuchen, die von vorchristlichen Kulturen wie den Ägyptern, den Germanen, Griechen und Römern stammen
und bis heute in anderer Form wie Brezeln oder Lebkuchenherzen fortbestehen.
Honigkuchen, nur eine andere Bezeichnung für Lebkuchen, verbreiteten sich im Mittelalter schnell in fränkische Klöster und nach Aachen. Vor allem Mönche stellten ihn her und verkauften ihn aufgrund seiner heilenden Wirkung. Bereits zur damaligen Zeit wurden diese Backwaren nicht nur zur Weihnachtszeit verspeist, sondern galten als Ganzjahresgebäck und dienten Pilgern und Kreuzfahrern als Kraftnahrung.
Zuckerrübensirup statt Honig
Bis zu Beginn des 18. Jahrhunderts bestand die Grundrezeptur des Teigs noch aus Mehl, Honig und verschiedenen Gewürzen. Vielfach wird Napoleons Kontinentalsperre im Jahre 1806 gegenüber dem Vereinigten Königreich als Startschuss für die Verwendung des heimischen Zuckerrübensirups als Ersatz für Honig und Zucker und damit für die Aachener Printe gesehen. Aber stimmt die Geschichte oder handelt es sich hierbei um einen weiteren Mythos? Seitdem hat sich die Rezeptur der Printe bis heute stetig weiterentwickelt: Zwischen etwa 1820 und etwa 1855 wird nicht nur der Honig gegen andere Zuckersorten ersetzt, sondern auch Krümelkandis beigefügt. Um 1860 folgt die Prinzessprinte mit Zuckerglasur, um 1872/73 die Schokoladenprinte und gleich nach dem Zweiten Weltkrieg die Saft- oder Weichprinte für alle, denen die klassische Aachener Printe zu hart ist.
Von gemodelten Formen bis zur Schnittprinte
Backmodeln können aus Ton, Stein, Metall oder Holz, meist Birnbaumholz in den unterschiedlichsten Formen und zudem auch doppelseitig gefertigt sein. Ihr Darstellungsreichtum umfasst biblische Geschichten und Heilige, Soldaten, Reiter, Kavaliere, sogenannte Schöne Damen, Motive aus der Flora und Fauna, Alltagsszenen, aber auch Freches und Frivoles. Verschenkt wurden Modeln zu festlichen Anlässen wie Hochzeiten oder Kindstaufen, sie wurden von Generation
zu Generation weitervererbt und spiegelten den jeweiligen Zeitgeist wider. Dass es sich bei der Aachener Printe um ein Modelgebäck handelt, darauf verweist bereits das Wort „Printe“ in der Namensgebung des süßen Gebäcks, das für „eingedrückte Abbildung“ steht. Der Teig wird in die Negativform eingedrückt und bildet so das Motiv ab. Jedoch wurde der Teig gröber und schwerer formbar, als der Honig durch Zuckerrübensirup ersetzt und Backtriebmittel verwendet wurde. Da eine detaillierte Formgebung – wie man sie von dem Gebildbrot „Couques de Dinant“ aus Belgien kennt – nun nicht mehr möglich war, verzichtete man von vorneherein darauf und schuf die Schnittprinte, die bis heute übliche Form. Gemodelte Printen gibt es zwar heute auch noch, allerdings beschränkt sich ihre Gestaltung auf die äußeren Umrisse. Heutzutage gehört sie in all ihren Variationen zu einem beliebten Naschwerk und findet darüber hinaus in vielerlei Kochrezepten als Zutat Verwendung. Wem die Printe als Gebäck allein nicht reicht, kann sie als Tee, Likör, Tabak, Bonbon, Gewürz, Bier oder Eis genießen. Wer hätte gedacht, dass ein süßes Gebäck wie die Aachener Schnittprinte einmal mit zu den wichtigsten Souvenirs für Touristen aus aller Welt gehören, ganz NRW repräsentieren und sogar zu einem identitätsstiftenden Element der Öcher selbst werden würde. Dies drückt sich vor allem in Namensgebungen von Vereinen, Clubs, Preisverleihungen, aber auch künstlerisch in Form einer Comic-Reihe oder eines Theaterstücks aus.
Kuratorin: Carmen Roebers
Co-Kurator: Lars Neugebauer
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